Cardillac
Aalto Musiktheater
Wenn Kunst mörderisch wird
von Dierk Schapals
06.12.2025
Knapp 100 Jahre nach ihrer erfolgreichen Uraufführung in Dresden 1926 feierte Hindemiths Oper „Cardillac“ nun eine erfolgreiche Premiere am Aalto Musiktheater Essen. Die Oper, die auf E. T. A. Hoffmanns Novelle „Das Fräulein von Scuderi” basiert, erzählt die düstere Geschichte des Goldschmieds Cardillac, der so sehr an seinen Schmuckstücken hängt, dass er zum Mörder wird, um diese zurück zu erlangen.
Hindemiths Musik ist im Stil der Neuen Sachlichkeit gehalten: klar, kantik, rhythmisch prägnant und von strenger motivischer Arbeit. Das alles verleiht dem Werk eine besondere Intensität. Angst braucht aber niemand vor dieser Musik zu haben: die Tür zur Moderne wird zwar geöffnet, manches klingt auch schroff, aber immer wieder besinnt sich Hindemith auf die Musik älterer Epochen. Und auch die Tanzmusik und der Jazz der 1920er Jahre findet Einzug in die Partitur. Dort setzt auch die Regie von Guy Joosten an. Er verlagert die Handlung in die 20er Jahre (Kostüme und Bühne: Katrin Nottrodt) und greift auf die Stilmittel des Film Noir und Fritz Langs zurück.
Joosten zeichnet Cardillac als Getriebenen, der in allen drei Akten auf der Bühne präsent ist und somit die Handlung steuert. Grandios, wenn Cardillac zu Beginn des zweiten Aktes auf einem Berg von Gold thront und seinen Schmuck als seine Kinder bezeichnet. Auch die anderen Figuren werden durch die Regie mehr als nur Staffage, zu der Hindemith sie macht. Musikalisch bewegt sich der Abend auf sehr hohem Niveau, was nicht nur an Heiko Trinsingers Gestaltung der Titelpartie liegt.
Astrik Khanamiryan als Dame, Sam Furness als Kavalier, Betsy Horne als Tochter und Andreas Hermann als Offizier geben eine großartige Ensembleistung ab. Bildgewaltig der Auftritt von Nicoara Andrei als Führer der Prévoté. Schauspielerisch wie auch auf gesanglicher Ebene leistet der von Bernhard Schneider einstudierte Opernchor Großartiges. Patrick Lange entlockt den Essener Philharmoniker die nötige Spielfreude, um die Musik Hindemiths erstrahlen zu lassen. Ungetrübter Jubel für einen packenden Opernkrimi!