Der Glöckner von Notre-Dame
Aalto Musiktheater
Kathedrale als heimliche Protagonistin
von Dierk Schapals
05.12.2025
Wie bereits in Victor Hugos Roman „Notre-Dame de Paris“ steht in Armen Hakobyans Balletturaufführung „Der Glöckner von Notre-Dame“ die Kathedrale im Zentrum des Geschehens. In der Inszenierung wird der Roman als dramatisches Ballett neu erzählt: die opulenten Bühnenbilder und Kostüme von Ramon Ivars, die düster-romantische Musik von Rachmaninow, Korngold, Schostakowitsch, Schreker, Goldmark und von Schillings sowie die Mischung aus klassischer und moderner Tanzsprache lassen die Zuschauer * innen eintauchen in das Paris der Gotik und des Mittelalters.
Hakobyan blickt in die Seele seiner Figuren, gibt Ihnen Tiefe und Profil. Quasimodo ist nicht der hässliche und bucklige Glöckner, sondern ein verletzlicher auf der Suche befindlicher Mensch. Frollo hin und hergerissen zwischen kirchlichem Amt und unerfüllter Liebe, Esmeralda als Verstehende und Phoebus als eben nicht Verstehender.
Yuki Kishimoto tanzt eine leichte, verführerische Esmeralda, die in ihrem roten Kleid zeitweise an eine Carmen erinnert. Artem Sorochan als liebender Phoebus und Enrico Vanroose als verliebter Quasimodo verströmen vor allem im Tanz mit Esmeralda eine vorzügliche Leichtigkeit und Eleganz. Moisés León Noriega zeichnet in seiner schwarzen Kutte ein eher düsteres Bild des Frollo, der am Ende auch nicht vor Mord zurückschreckt.
Großes Lob auch an die gesamte Compagnie des Aalto Ballett Essen, die als Bettler, Händler, Bohemiens und auch Wasserspeier hervorragendes leistet. Und aus dem Orchestergraben lassen die Essener Philharmoniker Philharmoniker unter Leitung von Wolfram-Maria Märtig die ausgewählte Musik spätromantisch aufblühen. Minutenlanger Jubel und Standing Ovations.